„Liebe, Leidenschaft und Menschlichkeit“ war der Titel des Rezitationsprogrammes am Samstagnachmittag in der Residenz Humboldthöhe. Dagmar von Kurmin rezitierte Schiller, Rückert, Heine und vor allem im Fontane-Jahr 2019 den brandenburgischen Dichter. In diesem Jahr feiert man seinen 200. Geburtstag. Begleitet und auf das vortrefflichste ergänzt wurde die Lesung von Wolfgang Nieß am Piano.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Es war ein ganz wunderbarer literarisch-musikalischer Nachmittag und die Erwartungen des Publikums wurden erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen. Dagmar v. Kurmin war nicht zum ersten Mal in der Residenz zu Gast. Die agile ältere Dame rezitierte siebzehn lange Balladen, auswendig, ohne Textvorlage und fehlerfrei. Ein echtes Phänomen und wenn man bedenkt, dass die Schauspielerin Jahrgang 1933 und somit 86 Jahre alt ist, ist es fast nicht zu glauben. Es ist Können und eine Begabung und wohl auch ein Stück Disziplin und ein wirklich schönes Beispiel dafür, das Altwerden großartige Leistungen nicht ausschließt. Eine schöne Stimme und eine erstaunliche Mimik geben den Balladen, die ja allesamt voller Leidenschaft und Liebe, voller Kraft und Schmerz, voller Freude und einer geballten Ladung Leben sind, eine erstaunliche Lebendigkeit. Es lässt vermuten, dass die Dichter auf solch eine Wirkung gebaut haben und das Rezitieren ihrer Werke die Urform der Präsentation war. Der Zuhörer lebt und leidet förmlich mit dem Helden der Ballade und manchmal ist das Publikum so in Bann gezogen, dass man sich vielleicht gar nicht traute die andächtige und anmutige Stimmung durch Applaus zu stören. Was man natürlich trotzdem reichlich tat, denn der musikalisch-literarische Nachmittag gefiel auf das Allerbeste. Viele Bewohner und Besucher konnten gedanklich oder flüsternd mitsprechen, denn Barbara Allen, Archibald Douglas und das Lied des James Monmouth, allesamt natürlich von Theodor Fontane, haben sie in ihrer Jugend in der Schule auch mal kennengelernt. Und natürlich den Herrn von Ribbeck auf Ribbeck.
Klänge und Poesie der Romantik
Künstler Nummer zwei an diesem Nachmittag war Wolfgang Nieß. Er betrat ganz dem Thema gewidmet mit feinem Frack und Lackschuhen die Bühne. Sehr gekonnte Pianoklänge wechselten sich mit den rezitierten Balladen ab und ergänzten sich gegenseitig. Der Pianist hatte ganz bewusst Musikstücke der Romantik ausgewählt, die genau in die Fontanezeit passten. Zum Beispiel: Franz Lists Liebestraum Nr. 3, Frederic Chopin Fantasie-Impromptu cis-moll und Tschaikowskys Blumenwalzer. Aber es gab auch etwas nicht so bekanntes. Zwei Stücke von Fanny Hensel, der Schwester von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Wolfgang Nieß spielte aus ihrem Jahreszyklus den August und den September. Sehr schön war, dass der Pianist Wissenswertes zu den Stücken erzählen konnte. So erfuhr das Publikum, das zum Beispiel die Komponistin Fanny Hensel eine musikalische Karriere und Veröffentlichung ihrer Kompositionen durch die Familie unterbunden wurde. Es schickte sich nicht für eine hochgestellte Dame diese Art von Arbeit.
So spielte der Pianist nicht nur ganz fantastische Stücke, sondern führte auch moderierend durch den Nachmittag. Er berichtete von Fontanes Leben und seines ungewöhnlichen beruflichen Lebensweg – sehr interessant. Veranstaltungsleiterin Dagmar Hett dankte den beiden Künstlern durch liebe Worte und das Publikum mit langem kräftigem Applaus für diesen wirklich sehr schönen Nachmittag.